LBB

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der differenzierten Hochschulautonomie

17.12.2020

Stellungnahme der Landesbeauftragten zum Anhörungsentwurf
des Gesetzes zur Stärkung der differenzierten Hochschulautonomie (NHG)


Ich fordere die bauliche und digitale Barrierefreiheit aller Hochschulen.

 

Gerade bei größer werdender Autonomie der Hochschulen müssen die Rahmenbedingungen gesetzlich so verankert werden, dass niemand aufgrund von Behinderung (nach § 3 BGG-Bund) von der Lehre ausgeschlossen wird. Dies gilt gleichfalls für Studierende wie auch für Lehrende. Benachteiligungen sind sowohl gem. § 4 Niedersächsisches Behindertengleichstellungsgesetz (NBGG) als auch nach Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz verboten.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Benachteiligungen und Diskriminierungen zu beseitigen und eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Diese ist bereits seit 2009 in Kraft. Davon eingeschlossen ist auch die Teilhabe an Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen.

Als Beteiligte im Anhörungsverfahren zur NHG-Novelle weise ich darauf hin, dass die Bedeutung der Digitalisierung gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie offensichtlicher als jemals zuvor geworden ist. Dies gilt insbesondere für vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen wie auch für ältere Menschen. Gleichzeitig empfehle ich, im NHG künftig den Behinderungsbegriff nach BGG § 3 zu verwenden.

Im Detail habe ich folgende Anmerkungen:
Vorgeschlagene Änderungen habe ich in die entsprechenden Passagen fett eingefügt:

 § 1 Absatz 3 NHG (Staatliche Verantwortung):

1 Das für die Hochschulen zuständige Ministerium (Fachministerium) trifft mit jeder Hochschule aufgrund der Landeshochschulplanung und der Entwicklungsplanung der jeweiligen Hochschule Zielvereinbarungen, die sich in der Regel auf mehrere Jahre beziehen. 2 Die Entwicklungsplanung soll die Entwicklungs- und Leistungsziele in ihren Grundzügen bestimmen. 3 In den Zielvereinbarungen sind Barrierefreiheit und Inklusion immer zu berücksichtigen.

(…)

Gegenstand der Zielvereinbarungen sind insbesondere (…)

  1. die Studiengangsplanung nach § 6 und die Zahl der barrierefreien Studienplätze
  2. (…)
  3. (…)
  4. (…)
  5. Barrierefreiheit der Lehre und der Gebäude der gesamten Hochschule.

 

5 Die Hochschulen berichten dem Fachministerium auf dessen Aufforderung über den Stand der Verwirklichung der vereinbarten Ziele. 6 Sie berichten der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen zu dem Punkt Barrierefreiheit und Studiengangsplanung für die Studiengänge, welche Forschung und Lehre in den Bereichen Teilhabe, Inklusion, Sonderpädagogik, Barrierefreiheit, barrierefreie Kommunikation etc. umfassen.

§ 3 Absatz 1 Satz 1 Punkt 7 NHG (Aufgaben der Hochschulen):

Notwendige Anpassung an den gesetzlich normierten Barrierefreiheitsbegriff nach NBGG:

7. die Mitwirkung an der sozialen Förderung der Studierenden unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen und Studierenden mit Behinderungen gemäß § 3 BGG-Bund oder chronischen Erkrankungen, wobei die Hochschulen dafür Sorge tragen, dass Studierende mit Behinderungen gemäß § 3 BGG-Bund oder chronischen Erkrankungen in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und die Angebote der Hochschule in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig ("möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können" muss gestrichen werden).

§ 3 Absatz 2 Satz 1 NHG (Aufgaben der Hochschulen):

Die Hochschulen entwickeln und betreiben hochschul- und einrichtungsübergreifend koordinierte barrierefreie Informationsinfrastrukturen, in der Regel im Verbund von Hochschulbibliotheken, Hochschulrechenzentren, Einrichtungen zum Einsatz barrierefreier digitaler Medien in der Lehre und anderen Einrichtungen.

§ 6 Absatz 3 Satz 4 NHG (Studiengänge und ihre Akkreditierung; Regelstudienzeit; Studienberatung):

4 Andere Regelstudienzeiten dürfen in besonders begründeten Fällen festgesetzt werden; dies gilt insbesondere für berufsbegleitende Bachelor- und Masterstudiengänge sowie für Studiengänge, die in besonderen Studienformen wie Kompakt- oder Teilzeitstudiengängen für Studierende angeboten werden sowie für Studierende mit Behinderungen nach § 3 BGG-Bund und Studierende mit chronischen Erkrankungen.

§ 7 Absatz 3 Satz 5 (Prüfungen und Leistungspunktsystem; staatliche Anerkennungen):

 5 Prüfungsordnungen müssen die besonderen Belange von Studierenden mit Behinderungen nach § 3 BGG-Bund oder chronischen Erkrankungen zur Wahrung ihrer Chancengleichheit berücksichtigen.

§ 17 Absatz 5 Satz 2 NHG (Verarbeitung personenbezogener Daten)

2Die nach Satz 1 angefertigten Aufnahmen dürfen den Teilnehmenden der jeweiligen Lehrveranstaltung über hochschuleigene Systeme zugriffsgeschützt barrierefrei zugänglich gemacht werden.

Es muss gewährleistet sein, dass barrierefreie Informationsinfrastrukturen und barrierefreie digitale Medien in der Lehre und anderen Einrichtungen zum Einsatz kommen.

Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 NHG müssen die Hochschulen dafür Sorge tragen, dass Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und die Angebote der Hochschule möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können.

Gemäß der Forderung von Menschen mit Behinderungen: „Nichts ohne uns über uns“ sollten sie als Expertinnen und Experten in eigener Sache von Anfang an bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen (inkl. barrierefreien Lösungen) einbezogen werden und diese auf Praxistauglichkeit prüfen. Weiter muss dafür gesorgt werden, dass Schulungen für Menschen mit Behinderungen und Assistenzkräfte zur Einweisung in digitaler Technik durchgeführt werden. Bewusstseinsbildende Maßnahmen für alle an der Hochschule tätigen Personen sind ebenfalls standardmäßig durchzuführen.

Ich freue mich auf eine zeitnahe Antwort und schriftlichen Stellungnahme zu meinen Forderungen. Für Rückfragen stehe ich selbstverständlich gerne zur Verfügung.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Petra Wontorra
Landesbeauftragte
für Menschen mit Behinderungen

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